Hinter den drei Kiefern by Louise Penny

Hinter den drei Kiefern by Louise Penny

Autor:Louise Penny [Penny, Louise]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Roman
ISBN: 9783311700043
Herausgeber: Kampa Verlag


22

Chief Superintendent Gamache blickte zu den geschlossenen Türen des Gerichtssaals, wischte sich noch einmal über die Augen und richtete seine Aufmerksamkeit dann wieder auf den Staatsanwalt.

Er musterte Zalmanowitz und sah etwas, was im Ansatz Anerkennung glich.

Beide Männer wussten, was Gamache gerade getan hatte. Und dass Zalmanowitz dabei mitgemischt hatte.

Es war gut möglich, dass das ein riesiger Schritt auf ihr Ziel zu war. Ziemlich sicher war es das Ende ihrer beider Laufbahn. Und doch fächelten sich die Zuschauer im Gerichtssaal ungerührt weiter Luft zu. Der kleine Ventilator brummte weiter. Die Geschworenen hörten weiter zu, mit halbem Ohr und ohne zu ahnen, wessen sie gerade Zeugen geworden waren. Was gerade geschehen war.

Alles wie gehabt, dachte Gamache.

»Dann ist also diese Person«, Zalmanowitz deutete zur Anklagebank, »verantwortlich dafür, dass Katie Evans in der Verkleidung steckte?«

»Ja.«

»Es war ein Racheakt?«

»Ja.«

»So wie ihre Ermordung.«

»Ja.«

»Warum?«

»Was meinen Sie mit warum?«

»Alles. Warum die Verkleidung? Warum der Kartoffelkeller? Warum die Schläge, dieser Terror? Warum sie ermorden? Sie haben sicher schon mal vom Konzept des Motivs gehört. Haben Sie nicht nach einem Motiv gesucht?«

»Herr Staatsanwalt, bitte«, sagte Judge Corriveau.

Hatte sie tatsächlich gerade einen Blick stillen Einvernehmens zwischen den beiden Männern bemerkt? Und gleich darauf diese provozierenden Fragen des Staatsanwalts vernommen? Es war, als ob ihre Sinne sie täuschten.

»Verzeihung.« Allerdings klang Zalmanowitz nicht reumütig.

»Doch, das haben wir«, sagte Gamache. »Sie haben völlig recht mit dem, was Sie sagen, und doch führt es in die falsche Richtung. Bei einer Mordermittlung kommt man allzu leicht vom Kurs ab, weil man den augenfälligen Hinweisen folgt und dabei die unauffälligeren, kleineren übersieht. Das Stalken und schließlich der Mord an Madame Evans erschienen nur deshalb makaber, weil wir es nicht verstanden. Aber als das geklärt war, ergab sich auch der Rest. Das ganze Drumherum fiel weg, und der Mord selbst war ganz simpel. Wie fast immer. Er wurde von einem Menschen begangen. Aus menschlichen Gründen.«

»Und wie sahen die aus? Aber zählen Sie jetzt bitte nicht die sieben Todsünden auf.«

Gamache lächelte. Der Schweiß rann die Falten seines Gesichts entlang.

»Nun ja, eine davon war es.«

»Gut«, sagte Zalmanowitz, der es offenbar müde war, sich weiter zu streiten. »Und welche? Gier? Wollust? Zorn?«

Gamache hob den Zeigefinger.

Richtig.

Zorn. Er hatte sich als Parasit in seinem menschlichen Wirt festgesetzt und ihn von innen heraus verzehrt. Und dann war er in dessen Hülle in die Welt getreten. Um zu morden.

Wie es oft der Fall war, hatte es ganz normal angefangen. Als Phase eines Trauerprozesses.

Aber vor der letzten Phase, der Akzeptanz, war die trauernde Person vom Weg abgekommen und hatte sich immer tiefer in Trauer und Wut verstrickt. Von Schuldgefühlen getrieben. Bis sie sich nur noch im Kreis gedreht hatte. Und als sie rettungslos verloren war, hatte sie Zuflucht gefunden. In der Rache.

Tröstend, beruhigend. Jahrelang hatte sie sich an diesem Feuer gewärmt.

Berechtigter Ärger war über Wut hinausgewachsen und zu Zorn geworden, aus dem Rache wurde. Der sie dazu brachte, etwas zu tun, was durch nichts zu rechtfertigen war. Und sie alle dorthin geführt hatte, wo sie jetzt waren. In diesen Glutofen von Gerichtssaal, um über den Mord an Katie Evans zu verhandeln.



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